Erzzug Neuss - Weisweiler

Aus Historisches
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Einer der "Starzüge" des Bahnhofs Jülich war zweifellos der ca. 1969 eingeführte Erzzug, der (Chrom-?) Erz vom Neusser Hafen (Neuss-Hessentor) zum Elektrowerk Weisweiler (Gesellschaft für Elektrometallurgie) brachte. Er war mit 50er-Dampfloks bespannt und fuhr auf jeden Fall bis 1973 über Jülich, spätestens ab 1975 verkehrte er über Düren, und 1988 wurde er eingestellt. Seine Zuggattung lautete Gag - nicht etwa, weil das Ganze ein Witz war, sondern "Gag" war jahrelang die DB-Abkürzung für Ganzzug, also einen Güterzug, dessen Zusammensetzung sich unterwegs nicht ändert.

Die genaue Entstehung dieses "Starzugs" liegt im Dunkeln. Dennoch wissen wir Einiges über diesen außergewöhnlichen Zug. Seine Einführung könnte 1968/69 erfolgt sein. Denn bis einschließlich 1967 war Jülich laut Güterkursbuch sowohl nach Norden (Mönchengladbach / Viersen) als auch nach Südwesten (Stolberg Rbf) mehrmals täglich mit gemischten Einzelwagen-Nahgüterzügen angebunden. Ganzzüge für Erz oder was auch immer finden wir in dieser Zeit (Güterzugbildungsvorschrift 1966/67) nicht, selbst die vielen Kalkwagen von Stolberg-Hammer zum Hochofen Rheinhausen wurden damals in Einzelwagenzügen befördert - über Jülich.

1968 hingegen wies Jülich laut Einzelwagen-Güterkursbuch nur noch eine Anbindung nach Stolberg auf - der Einzelwagenverkehr auf der Strecke nach MG (Hochneukirch) war "gekappt" worden. (Möglicherweise hing dies damit zusammen, dass die Hauptstrecke Mönchengladbach - Aachen ab Mai 1968 elektrisch befahrbar und somit sehr attraktiv für Güterzüge war. Aachen - Köln war bereits 1966 elektrifiziert worden.)

Eine denkbare Hypothese wäre also, dass die Bundesbahn die Erzwagen bis 1967 (falls das Elektrowerk damals überhaupt schon Erz in "Bahn-Mengen" bezog) einfach den regulären Einzelwagen-Güterzügen mitgegeben hat. Ab 1968 wären die Erzwagen dann im umgestalteten Einzelwagensystem über Köln oder Aachen nach Stolberg gelaufen. (Das Buchfahrplanheft Köln 5b vom Sommer 1968 zeigt in der Tat weder Einzelwagenzüge noch Ganzzüge auf der Relation Jülich - Hochneukirch.) Doch angesichts des hohen Gewichts der zahlreichen Erzwagen, welche in den 70ern fast schon einen ganzen Zug "vollmachten", müsste dies sehr unwirtschaftlich gewesen sein, so dass man vielleicht deshalb einen eigenen Erzzug (als Ganzzug!) eingerichtet hat. Dieser konnte durch die Nutzung der direkten Strecke über Jülich eine ganze Menge Tonnenkilometer einsparen, war durch die entfallenen Rangieraufenthalte unterwegs vergleichsweise schnell am Ziel und verursachte daher entsprechend geringe Personalkosten.

Ob es wirklich so war, wissen wir nicht, und was zwischen Herbst 1968 und Herbst 1969 passiert ist, auch nicht. Vielleicht hat ja auch der Erzbedarf des Elektrowerks erst Ende der 60er so richtig zugenommen, dass sich erst dann ganze Züge lohnten. Jedenfalls weist spätestens die Güterzugbildungsvorschrift Winter 1969/70 einen Zug mit "Erz in Fad-Wg" mit "Hg 55 km/h" von "Neuss Vorbhf" über Mönchengladbach, Hochneukirch und Jülich nach Weisweiler aus: den Gag 7304 und dazu in Gegenrichtung (Leerzug) den Gag 7305 (Mo-Fr) bzw. Gag 7307 (Sa).

Passend dazu erinnert sich ein Stolberger Lokführer, dass 1968/69 zur Bergung einer beim Rangieren im Stolberger Rbf verunfallten BR 50 zwei weitere 50er anrückten. Eine von diesen war mit Neusser Personal besetzt, und dieses kam seinerzeit lediglich mit dem Erzzug nach Stolberg. Auch in den frühen 70er-Jahren verkehrte dieser Zug über Jülich, und zwar als Gag 9904/05/07, nach Einführung der fünfstelligen Zugnummern im Güterverkehr dann als 69904.

Es existieren weitere "Beweise" für den Zuglauf über Jülich, hier chronologisch sortiert:

  • der Buchfahrplan Sommer 1970 (Gag 9870 mit Tfz BR 050 + 1200 t Last, Original beim Autor vorhanden, Leerzug Gag 9873 mit 500 t an W(Sa), Gag 9871 an Sa)
  • der Buchfahrplan Winter 1970/71 (Gag 9904 mit Tfz BR 050 + 1200 t Last, Original im EAKJ vorhanden, Leerzug Gag 9907 mit 500 t an W(Sa), Gag 9905 an Sa, Scan im Link Mülfort s.u.)
  • die Güterzugbildungsvorschriften Winter 1971/72 (GZV BD Köln, Heft 2) (Original im EAKJ vorhanden, Gag 9904)
  • die Güterzugbildungsvorschriften Winter 1972/73 (GZV BD Köln, Heft 2) (Original privat vorhanden, Gag 9904) (Hinweis: zum Sommer 1974 wurde DB-weit ein neues Zugnummernschema eingeführt)
  • zwei s/w-Fotos aus Jülich im EAKJ-Buch "Jülich, die alte Eisenbahnerstadt" (2. Auflage 1986: S. 88 = Winter 1972, S. 166 = ohne Datum)
  • zwei s/w-Fotos bei Rheydt (Sommer 1973) im Buch "Eisenbahn in Mönchengladbach" von Herbert Marx (Verlag Kenning, 1997): S. 92 = Rheydt Hbf 19.6.73, S. 93 = RY-Odenkirchen 27.8.73, Zugnummer bereits 69904

Der Buchfahrplan Sommer 1975 (BD Köln Heft 62G, Gag 58844/45/46 mit 1800 t Last, Original beim EAKJ) zeigt, dass der Zug zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr über Jülich, sondern über Köln und Stolberg verkehrte. Hierzu passt eine Sichtung von 1975 am Nothberger Spielplatz, die der damals 11-jährige Augenzeuge K. P. berichtet - er sah den Erzzug noch mit BR 50, allerdings schon über Stolberg statt Jülich kommend.

Der Zug "lebte" noch bis Mai 1988 und verkehrte je nach Jahr mal über Köln-Ehrenfeld (BR 140), mal über Bedburg (BR 215). In jedem Fall musste er in Stolberg Kopf machen, so dass der Stolberger Eisenbahnfreund Roland Keller ihn auf seinen Seiten http://www.eisenbahn-stolberg.de mehrmals thematisiert hat. Auch in DSO gibt es Beiträge zu diesem Zug mit Fotos, die inzwischen zwar leider aus dem Web verschwunden sind, dem Verfasser jedoch vorliegen: